Kategoriearchiv '§73 StGB'

29.10.21

Revisionen der Angeklagten im Dresdener „Infinus-Verfahren“ weitgehend erfolglos

- §263 StGB, §264a StGB, §27 StGB, §73 StGB, Urteile -

Urteil vom 29. Oktober 2021 – 5 StR 443/19

Mit dem heutigen Urteil hat der Bundesgerichtshof die Revisionen sechs ehemaliger Verantwortlicher der Infinus-Unternehmensgruppe weitgehend verworfen.

Nach mehr als zweieinhalb Jahren und 167 Verhandlungstagen hatte das Landgericht Dresden am 9. Juli 2018 fünf der Angeklagten wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges in Tateinheit mit Kapitalanlagebetrug und einen Angeklagten wegen Beihilfe hierzu zu Freiheitsstrafen zwischen vier Jahren sechs Monaten und acht Jahren verurteilt. Zudem hatte es die Einziehung von Taterträgen in Höhe von insgesamt mehr als 51 Millionen Euro angeordnet.

Nach den Urteilsfeststellungen spiegelten die Angeklagten über ein Netz von Vermittlern mehreren tausend gutgläubigen Anlegern eine lukrative Geldanlage auf der Grundlage einer prosperierenden Unternehmung vor. Nach außen erzeugten sie den Anschein eines erfolgreichen Dresdener Wirtschaftsunternehmens, das sich mit dem Ankauf von Lebensversicherungen befasste. Die vorgeblichen Gewinne waren jedoch lediglich das Ergebnis bilanzieller Effekte, die durch Innengeschäfte der verbundenen Unternehmen erzeugt wurden und letztlich nur auf dem Papier standen; tatsächlich machte die Unternehmung Verluste. Um gleichwohl den Eindruck eines gewinnträchtigen Anlagemodells zu erwecken und aufrechtzuerhalten, waren die Angeklagten auf einen stetig wachsenden Anlegerkreis angewiesen. Sie betrieben daher ein „Schneeballsystem“, bei dem die Gelder neu angeworbener Anleger verwendet wurden, um die Zins- und Rückzahlungsansprüche anderer Anleger zu befriedigen. Irrtumsbedingt investierten die geschädigten Anleger im Tatzeitraum ab dem Jahr 2011 rund 540 Millionen Euro. Abzüglich der bis zur Einstellung des Geschäftsbetriebs im November 2013 geleisteten Rückzahlungen verloren die Anleger gut 290 Millionen Euro.

Mit ihren gegen das Urteil des Landgerichts Dresden gerichteten Revisionen haben die Angeklagten die Verletzung sachlichen Rechts gerügt und umfangreiche Verfahrensbeanstandungen erhoben. Über die Rechtsmittel hat der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 11. Oktober 2021 verhandelt und mit Urteil vom heutigen Tag entschieden. Danach sind die Revisionen der Angeklagten weitgehend erfolglos geblieben.

Der Bundesgerichtshof hat lediglich die tateinheitlichen Verurteilungen wegen Kapitalanlagebetruges und Beihilfe hierzu sowie in geringem Umfang die Einziehungsentscheidungen aufgehoben. Zudem hat er betreffend einen Angeklagten den Strafausspruch aufgehoben, weil das Landgericht eine Strafmilderung nach der sogenannten Kronzeugenregelung (§ 46b StGB) nicht erörtert hatte.

Die Verurteilung der Angeklagten wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges und Beihilfe hierzu ist damit rechtskräftig. Das Gleiche gilt für die gegen fünf der Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen. In Höhe von insgesamt mehr als 50 Millionen Euro ist auch die Anordnung der Einziehung von Taterträgen rechtskräftig. Im geringen Umfang der Aufhebung hat der Bundesgerichtshof die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Dresden zurückverwiesen.

Vorinstanz:

Landgericht Dresden – Urteil vom 9. Juli 2018 – 5 KLs 100 Js 7387/12

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 263 StGB (Betrug):

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(…)

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

§ 264a StGB (Kapitalanlagebetrug):

(1) Wer im Zusammenhang mit

  1. dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, oder
  2. dem Angebot, die Einlage auf solche Anteile zu erhöhen,

in Prospekten oder in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhöhung erheblichen Umstände gegenüber einem größeren Kreis von Personen unrichtige vorteilhafte Angaben macht oder nachteilige Tatsachen verschweigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(…)

§ 27 StGB (Beihilfe):

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(…)

§ 73 StGB (Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern):

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(…)

Karlsruhe, den 29. Oktober 2021

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 29.10.2021

29.07.21

Bundesgerichtshof bestätigt Urteil im bundesweit ersten Cum-Ex-Strafverfahren

- §370 AO, §73 StGB, Urteile -

Urteil vom 28. Juli 2021 – 1 StR 519/20

Bisheriger Prozessverlauf und Sachverhalt:

Das Landgericht hat den Angeklagten S. im Zusammenhang mit sog. Cum-Ex-Geschäften in den Jahren 2007 bis 2011 wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt; gegen den Mitangeklagten D. hat es wegen mehrerer Fälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung eine Bewährungsstrafe von einem Jahr verhängt. Zudem hat es bei dem Angeklagten S. Taterträge in Höhe von 14 Millionen Euro sowie bei dem Bankhaus W. als der Einziehungsbeteiligten in Höhe von ca. 176 Millionen Euro eingezogen.

Dem Urteil des Landgerichts lagen folgende Feststellungen zugrunde:

Der Angeklagte S. und Verantwortliche des Bankhauses W., insbesondere die gesondert Verfolgten Dr. O. und Sc., verabredeten in den Jahren 2007 bis 2011, deutsche Finanzbehörden durch wahrheitswidrige Erklärungen zur Erstattung angeblich gezahlter Kapitalertragsteuer in Millionenhöhe zu veranlassen, die tatsächlich aber nicht entrichtet wurde. Hierfür plante und organisierte der Angeklagte S. eine Vielzahl vom Bankhaus W. durchgeführter Cum-Ex-Leerverkaufsgeschäfte, die wie folgt abliefen: Das Bankhaus W. kaufte in der Dividendensaison der Jahre 2007 bis 2011 von Leerverkäufern jeweils kurz vor dem Hauptversammlungstag Aktien mit Dividendenanspruch (sog. „Cum-Aktien“); die Leerverkäufer lieferten – wie von vornherein geplant und auch gewollt – Aktien ohne Dividendenanspruch (sog. „Ex-Aktien“) und leisteten zur Kompensation an das Bankhaus W. je eine Ausgleichszahlung (sog. Dividendenkompensationszahlung), für die ab dem Jahr 2007 Kapitalertragsteuer zu entrichten ist. Allen Beteiligten war als Bankkaufleuten bekannt, dass diese Steuer weder auf Seiten der Leerverkäufer noch sonst einbehalten wurde. Gleichwohl stellte das Bankhaus W. sich selbst Steuerbescheinigungen zur Vorlage bei den Finanzbehörden aus, mit denen es – fälschlicherweise – den angeblichen Steuereinbehalt bestätigte. Unter Vorlage dieser Bescheinigungen bei den Finanzbehörden erreichten insbesondere die gesondert Verfolgten Dr. O. und Sc., dass an die Einziehungsbeteiligte zu Unrecht insgesamt über 166 Millionen Euro ausbezahlt wurden. Aus diesen Taterträgen erwirtschaftete die Einziehungsbeteiligte weitere 10 Millionen Euro.

In den Jahren 2009 bis 2011 war der Angeklagte S. noch an weiteren Fällen maßgeblich beteiligt, in denen die umgesetzte Strategie dem Vorgehen in den Eigenhandelsfällen des Bankhauses W. entsprach, jedoch eigens für diesen Zweck gegründete Fonds die Rolle des Leerkäufers übernahmen. Nach Vorlage – inhaltlich falscher – Steuerbescheinigungen, die den angeblichen Steuereinbehalt für die durchgeführten Cum-Ex-Transaktionen bestätigten, zahlten die Finanzbehörden an die Fonds zu Unrecht über 226 Millionen Euro aus.

Der Angeklagte S. profitierte von den Geschäften insgesamt in Höhe von 14 Millionen Euro. Hingegen war der Angeklagte D. an den Profiten nicht beteiligt; ihm kamen auch nur unterstützende Aufgaben zu.

Entscheidung des Senats:

Der u.a. für Steuerstrafsachen zuständige 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die gegen dieses Urteil von allen Verfahrensbeteiligten – mit unterschiedlicher Reichweite und Angriffsrichtung – eingelegten Revisionen verworfen und nur den Schuldspruch in Bezug auf den Angeklagten D. unter Aufrechterhaltung der verhängten Strafe dahin geändert, als dieser Angeklagte einer einheitlichen Beihilfe schuldig ist.

Mit seiner Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Auffassung der Vorinstanz bestätigt, dass die Geltendmachung tatsächlich nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer gegenüber den Finanzbehörden auf der Grundlage derartiger Cum-Ex-Geschäfte den Straftatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt.

An einer vorsätzlichen Begehung konnte – wie das Landgericht ohne Rechtsfehler ausgeführt hat – kein Zweifel bestehen, weil die Beteiligten um den Dividendenstichtag herum bewusst arbeitsteilig auf die Auszahlung nicht abgeführter Kapitalertragsteuer hingewirkt haben. Zum Zeitpunkt der Begehung der Taten sah das Gesetz bereits in den insoweit einschlägigen Vorschriften eine klare und eindeutige Regelung vor, gegen die die Beteiligten nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts verstoßen haben. Dies ergibt sich schon daraus, dass nur die tatsächlich einbehaltene Kapitalertragsteuer zur Anrechnung und Auszahlung angemeldet werden darf. Zudem betrifft die von der Revision angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum wirtschaftlichen Eigentum solche Konstellationen nicht, weil der bloße Abschluss derartiger Leerverkaufsabreden kein wirtschaftliches Eigentum begründen konnte.

Die Revisionen des Angeklagten S. und des Bankhauses W. gegen die sie betreffenden Einziehungsentscheidungen blieben ohne Erfolg. Das Landgericht hat auf Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen der jeweiligen Einziehung zu Recht bejaht und anhand der erzielten Taterträge und der hieraus gezogenen Nutzungen die Höhe der Einziehungsbeträge zutreffend bestimmt. Jedenfalls auf Grund der durch das Jahressteuergesetz 2020 vom 21. Dezember 2020 neu eingeführten Regelung des § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB ist die Einziehung auch nicht wegen Verjährung ausgeschlossen. Ebenso wenig drang die Staatsanwaltschaft mit ihrer Beanstandung durch, das Landgericht habe bei den Einziehungsanordnungen zu Unrecht zugunsten des Angeklagten S. und der Einziehungsbeteiligten eine gesamtschuldnerische Haftung angeordnet. Die getroffene Anordnung weist keinen Rechtsfehler auf.

Mit der Entscheidung des Senats vom heutigen Tag ist das Urteil des Landgerichts rechtskräftig.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 370 AO – Steuerhinterziehung

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

  1. den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
  2. die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
  3. pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt

und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) – (7) ….

§ 73 StGB – Einziehung von Taterträgen bei Tätern oder Teilnehmern

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) ….

§ 73b StGB – Einziehung von Taterträgen bei anderen

(1) 1Die Anordnung der Einziehung nach den §§ 73 und 73a richtet sich gegen einen anderen, der nicht Täter oder Teilnehmer ist, wenn

  1. er durch die Tat etwas erlangt hat und der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat,
  2. ihm das Erlangte

a) unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder

b) übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, oder

  1. das Erlangte auf ihn

a) als Erbe übergegangen ist oder

b) als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.

2Satz 1 Nummer 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.

(2) …. (3) ….

§ 73e StGB – Ausschluss der Einziehung des Tatertrages oder des Wertersatzes

(1) 1Die Einziehung nach den §§ 73 bis 73c ist ausgeschlossen, soweit der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, erloschen ist. 2Dies gilt nicht für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind.

(2) ….

Vorinstanz:

Landgericht Bonn – Urteil vom 18. März 2020 – 62 KLs – 213 Js 41/19 – 1/19

Karlsruhe, den 28. Juli 2021

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 28.07.2021


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